Kiel 2019: Ein Meilenstein für Zero Waste Cities in Deutschland

Am 29. März veranstalteten Zero Waste Europe und sein Mitglied Zero Waste Kiel e.V. die internationale Konferenz „Kiel 2019: ein Meilenstein für Zero Waste Cities in Deutschland“.

Vorgeschichte

Im Februar 2018 schlug Zero Waste Kiel e.V. der Kieler Stadtverwaltung die Verabschiedung einer Zero Waste-Strategie vor, die San Francisco, Kiels Partnerstadt, bereits verfolgt. Diese Strategie ist in das Zero Waste Cities Mentoring- und Anerkennungsprogramm eingebettet, das von Zero Waste Europe und seinen Mitgliedern durchgeführt wird. Am 22. November letzten Jahres war Kiel offiziell die erste deutsche Stadt, die sich zu diesem Zero Waste Plan verpflichtete.

Als erste deutsche Stadt, die ihre Reise in Richtung Zero Waste antrat, war Kiel als Standort für diese internationale Konferenz eine strategische Entscheidung, in der Hoffnung, dass Zero Waste sich zu einem Samenkorn entwickelt, das im übrigen Deutschland sprießen wird.

Joan Marc Simon, Geschäftsführer von Zero Waste Europe

 

 

Finanzielle Mittel bewilligt

Der Morgen der Konferenz begann mit einer großen Ankündigung: Die Stadt Kiel hat Fördergelder für das erste Jahr zur Finanzierung des Zero Waste-Plans bewilligt bekommen. Die aktuellen Nachrichten wurden vom gesamten Publikum und den beteiligten Organisationen bejubelt. Darin liegt auch die Hoffnung, dass dies nur der Anfang eines langfristigen Projekts ist, das ganz Deutschland beeinflussen wird. Die Konferenz stieß auf lokales und internationales Interesse mit 226 Teilnehmenden aus 36 Ländern. Es waren 21 Referenten aus ganz Europa geladen, die über die Grundlagen einer Stadt auf dem Weg zur Zero Waste City berichteten.

Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister von Kiel, begrüßte die Teilnehmenden zusammen mit den lokalen Organisatoren, Marie & Marc Delaperrière, Gründer von Zero Waste Kiel e.V.

Die Landeshauptstadt Kiel ist seit vielen Jahren nicht nur Klimaschutzstadt und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Wir sind auch auf dem besten Weg, eine der ersten Zero Waste Cities in Deutschland zu werden. Ich bin mir sicher, dass die Zero Waste Europe Konferenz uns viele gute Impulse und Anregungen geben wird, um dieses Ziel zu erreichen.

Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister von Kiel

Um der Stadt Kiel auf ihrem Weg zur Zero Waste City Mut zumachen, haben der Verein Zero Waste Kiel e.V. gemeinsam mit Zero Waste Europe beschlossen, diese internationale Konferenz zu organisieren. Sie soll einen konkreten Blick auf Zero Waste Cities geben und unsere Stadt, andere deutsche Gemeinden und auch unsere baltischen Nachbarn inspirieren.

Marie und Marc Delaperrière, Zero Waste Kiel e.V.

 

Kurzfasssung der Inhalte

Auf der Konferenz wurden alle wichtigen Schritte für die Umsetzung der „Zero Waste Strategie“ vorgestellt.

Bioabfallsammlung, dezentrale Kompostierung, wirtschaftliche Anreize für die Vermeidung und Verminderung von Abfällen wie PAYT (Pay As You Throw) = individuelle Mengen-gesteuerte Abfallgebühren, Umweltsteuern und erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility) und neue Geschäftsmodelle mit DRS (Deposit Return Schemes) = Pfandsysteme.

Inhalte der Konferenz im Detail

Um die Stadt Kiel zu inspirieren, stellte Joan Marc Simon die Zero Waste Grundlagen vor: Die Umgestaltung von Geschäftsmodellen, das Überdenken von Verpackungen und das Vorantreiben einer Reparaturwirtschaft sowie die schrittweise Einstellung der Müllverbrennung sind zweifellos notwendig, um die Zero Waste Hierarchie, die er zu Beginn erläutert hatte, zu erreichen. Und das hat direkte Vorteile für die Stadt: weniger zu entsorgende Abfälle und weniger Rückstände, geringere Ausgaben auch für die Bürger*innen, mehr soziale Integration, Innovation und lokale Arbeitsplätze – und weniger Umweltbelastung.

Aber wo anfangen? Um diese Frage zu beantworten, bat Esra Tat, Programmkoordinatorin für Städte und Gemeinden bei Zero Waste Europe, drei wichtige Akteure auf die Bühne: Enzo Favoino, Vorsitzender des wissenschaftlichen Ausschusses von Zero Waste Europe, Rossano Ercolini, Präsident von Zero Waste Italy, und Jože Gregorič, Projektmanager bei Snaga.

Enzo Favoino erklärte, was die Zero-Waste Methode ist, wie sie funktioniert und was Städte erreichen können: In Parma (Italien) erreichte die getrennte Sammlung in 5 Jahren 80 % und die Restabfälle wurden um 56 % reduziert. Die Null-Abfall-Strategie der Kieler Partnerstadt San Francisco wurde in einer Videoaufzeichnung von Alexa Kielty, der Zero Waste Spezialistin von San Francisco, vorgestellt. Rossano Ercolini erwähnte das Best Practice Beispiel von Zero Waste Italy und Capannori, das in einer Fallstudie von Zero Waste Europe vorgestellt wurde. Zum Abschluss dieses ersten Themenblocks zeigte Jože Gregorič, wie Snaga den hervorragenden Übergang Ljubljanas zu Zero Waste vorangetrieben hat.

Aber was alle Redner gleichermaßen betonten, war die Bedeutung der organischen Abfallwirtschaft. Deshalb hat sich der zweite Themenblock, moderiert von Csilla Urbán, Präsidentin der Humusz Waste Prevention Alliance in Ungarn, mit dieser Schlüsselfrage beschäftigt.

Enzo Favoino erinnerte das Publikum an den Zusammenhang zwischen der getrennten Sammlung von Bio-Produkten und dem Kampf gegen die Ausbreitung der Wüsten und der Stärkung der Widerstandskräfte in der Landwirtschaft. In Europa werden derzeit jedoch nur 30 Mio. t zur Kompostierung umgeleitet, während 88 Mio. t Bioabfälle noch in den Siedlungsabfällen enthalten sind.

Ramón Plana, Berater für biologische Behandlungsmethoden für organische Abfälle, stellte eine der Optionen vor, um dieses riesige ungenutzte Potenzial zu nutzen: die dezentralen, lokalen Kompostierungsalternativen von Pontevedra (Spanien). Dank dieses Ansatzes konnte die Stadt Vilaboa ihre Kosten für die Abfallwirtschaft um 16 % senken.

Pierre Condamine, Waste Policy Officer bei Zero Waste Europe, bewies mit der Erläuterung des Falles von Sybert in Besançon, dass organische Abfälle nicht nur ein erster und schnell effizienter, sondern auch ein sehr bedeutsamer Schritt in der größeren Zero Waste-Strategie sind.

In der Mittagspause konnten alle die innovative Kieler Initiative „Spülbar“ ansehen: eine Geschirrspülmaschine auf einem Fahrrad, die bei Veranstaltungen und auf den Märkten eingesetzt werden kann, um den Einsatz von Einwegbechern zu vermeiden!

Die Unterstützung der Einführung von Mehrweg-Coffee-to-go-Systemen mit finanziellen Maßnahmen wurde nachmittags von Elena Schägg, Projektleiterin bei der Deutschen Umwelthilfe, dargestellt.  Theodor Flammer erläuterte, wie sein Unternehmen ReCIRCLE Deutschland ein Pfandrückgabeprogramm für wiederverwendbare Lunchboxen einrichtete.

Der Übergang von der Abfallwirtschaft zur Abfallvermeidung und -reduzierung stand in der Tat im Mittelpunkt der Diskussion am Nachmittag. Ana Gutierrez Dewar, Policy Officer bei Retorna, stellte Michele Giavini vor, der PAYT (Pay As You Throw) und das von ARS Ambiente entwickelte neue Konzept von KAYT (Know As You Throw) besprach. Francesc Giró i Fontanals, als Direktor der strategischen Planung bei der Abfallbehörde Kataloniens, teilte die 15-jährige Erfahrung Kataloniens in der Umweltsteuer, nämlich die Einführung der Deponie- und Verbrennungssteuer und PAYT.

Der letzte Themenblock des Tages, moderiert von Marc Sautelet von Zero Waste Belgium, konzentrierte sich auf den Aufstieg in die Zero Waste Hierarchie. Die Referenten behandelten unterschiedliche Themen: Henning Wilts (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie) referierte über die Erforschung neuer Indikatoren zur Abfallvermeidung. Larissa Copello (Zero Waste Europe) sprach über die Nutzung der erweiterten Produzentenverantwortung zur Förderung kunststofffreier Initiativen. Alexandre Garcin, der direkt aus Roubaix kam, präsentierte den Erfolg von Zero Waste Families. Antigone Dalamaga (RREUSE und Ecorec) berichtete über die lokalen Vorteile von Reparatur und Wiederverwendung.

Schluss-Statement

Solche Konferenzen tragen dazu bei, lokale Akteure zusammenzubringen und sich gegenseitig zu befruchten. Die Notwendigkeit weiterer Unterstützung und Schulung ist eine unserer Prioritäten. Ich lade alle interessierten Akteure, örtlichen Behörden, soziale Unternehmen und die Zivilgesellschaft ein, um an zukünftigen Veranstaltungen und Studienreisen teilzunehmen. Wir brauchen alle an Bord, um Zero Waste Wirklichkeit werden zu lassen!

Esra Tat, Koordinatorin für Netzwerk und Entwicklung,
zuständig für das Programm Städte und Gemeinden bei Zero Waste Europe

Eine englische Fassung mit vielen weiterführenden Links gibt es auf der Homepage von Zero Waste Europe.

 

Ute Goldbeck (Zerowaste Kiel e.V), nach Beiträge von Agnese Marcon und Sarah Martin, Zero Waste Europe