Christian Horsters – Unser Zero-Waste-Held im August

Er kämpft entschlossen gegen das Wegwerfen: Christian Horsters rettet Lebensmittel aus Leidenschaft und verteilt sie an Menschen, die sie gebrauchen können. Der Wahlkölner hat in der Domstadt bisher rund 100 Läden davon überzeugt, seine Mission zu unterstützen. Die Foodsharing-Bewegung ist mittlerweile so groß, und es gibt zahlreiche Vereine, sodass Christian mittlerweile eine Art Lebensmittel-Manager des Ganzen geworden ist. Er akquiriert Supermärkte, Bäckereien und Co., verteilt die gespendeten Lebensmittel an die einzelnen Gruppen bzw. Vereine und koordiniert die Helfenden. Außerdem befüllt er die sogenannten Fahrrad-FairTeiler in der Stadt. Dabei handelt es sich um alte Fahrräder, auf denen vorne und hinten eine Kiste befestigt ist, in der die geretteten Lebensmittel für jeden zugänglich hineingegeben werden.

Die Supermärkte profitieren von Christians Arbeit, da sie für die Entsorgung der Lebensmittel ansonsten Geld zahlen müssten. Bei den Bäckereien sieht das aber ganz anders aus: Da diese nicht alles bunt gemischt in eine Tonne werfen, sondern, heruntergebrochen, Brötchen vom Kuchen trennen, bekommen sie Geld für ihre Retouren, weil diese zu Tierfutter verarbeitet werden. Sie verzichten also auf die kleine, aber zusätzliche Einnahmequelle und spenden lieber. So ist es mittlerweile so, dass „Christians Supermärkte“ weniger als ein Prozent ihrer Lebensmittel wegschmeißen. Bei Bäckereien sind es rund 30 Prozent der Brote, Kuchen und Teilchen kommen in die Tonne.

Aus all diesen Quellen werden mittlerweile im Schnitt ca. 2.000 Menschen täglich mit geretteten Lebensmitteln versorgt. Im Monat sind es allein etwa 20.000 Kilo Backwaren, die dank des Einsatzes von Christian und seinem Team vor der Mülltonne gerettet und weiterverteilt werden. Um das Ausmaß zu verdeutlichen, sagt er im Talk mit Frank Überall: „Das, was in Köln in einem Jahr an Backwaren entsorgt wird, reicht aus, um den Kölner Dom bis in die Spitzen zu füllen.“

Einer der Gründe, warum sich Christian mit seinem Verein Food For Future Köln e.V. 2022 auf Backwaren spezialisiert hat. Für den 70-Jährigen ist es kaum erträglich, dass frisches Brot am Ende des Tages im Müll landet, während es noch viele Menschen satt machen könnte. Sein Ehrenamt als Lebensmittelretter ist für ihn ein klarer Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und sozialem Miteinander. Für die evangelische Thomaskirche im Agnesviertel beispielsweise organisiert er schon seit Jahren die Aktion die Aktion Brotfairteiler und verteilt regelmäßig tonnenweise Backwaren an Menschen, die sie brauchen. Studierenden, Rentnern und allen, die knapp bei Kasse sind, kommen die geretteten Lebensmittel zugute. Christian möchte seine Hilfe so niederschwellig wie möglich anbieten. Niemand muss irgendetwas nachweisen. Wer möchte, kann kommen und sich Brötchen und Co. mitnehmen. „Aber auch andere sind eingeladen, etwas für die Umwelt zu tun“, erklärt er in einem Talk mit Frank Überall auf YouTube. Denn mit jedem geretteten Brötchen werden auch unsere Ressourcen wie Wasser oder Energie geschont.

Er hat ein tiefes Gespür für Nachhaltigkeit und Ökologie. Schon früh war ihm klar, dass Lebensmittel nicht verschwendet werden dürfen. Als Kind zog ihn der Duft von frischem Brot in die Bäckerei – eine „emotionale Bindung“, die bis heute anhält. Damals wohnte er in einem kleinen Städtchen am Niederrhein. Seine Eltern besaßen ein Hotel, mit dem sie viel beschäftigt waren. So ist er 1961 als Sechsjähriger gern mal morgens gegen 5 Uhr aus dem Haus und in die 200 Meter entfernte Bäckerei gestiefelt. „Da ging es mir gut. In der Backstube war es hell, Leute waren am Arbeiten und es roch gut.“

1994 zog Christian nach Köln-Rondorf. Dort fiel ihm die lange Schlange samstags vor der Bäckerei auf. Das brachte ihn auf die Idee, seine Nachbarn mit frischen Brötchen zu beliefern. Gesagt, getan – Christian schnappte sich sein Fahrrad mit Anhänger, auf den etwa 30 Tüten mit Brötchen passten, und belieferte seine Nachbarn mehrere Jahre lang samstagfrüh mit frischem Gebäck.

Den Anstoß für seine Leidenschaft, Lebensmittel zu retten, gab der Dokumentarfilm Taste the Waste von Valentin Thurn, den Christian 2012 gesehen hat. Dieser zeigte erstmals eindrucksvoll, an welchen Stellen Lebensmittel verschwendet werden und welche globalen Auswirkungen das hat. Ihm wurde klar: Jeder Laib Brot, der entsorgt wird, bedeutet nicht nur eine verpasste Mahlzeit, sondern auch die Verschwendung wertvoller Ressourcen wie Wasser, Energie und menschlicher Arbeit.

Das Thema ließ ihn nicht mehr los, und er bewarb sich noch im selben Jahr bei der Kölner Tafel. Einmal in der Woche sortierte er dort um 6:30 Uhr in Feldkassel Backwarenretouren der Bäckerei Kraus für die Kölner Tafel. Auch Filmemacher Valentin Thurn blieb von seiner eigenen Doku geprägt: Er gründete mit seinem Team im selben Jahr den Verein Foodsharing e.V. und startete die Plattform foodsharing.de am 12.12.2012. Ziel war es, eine Anlaufstelle zu schaffen, über die die Verteilung von Lebensmitteln organisiert werden konnte. Christian war sofort dabei, wurde Teil des Netzwerks und fand schnell Gleichgesinnte, die mit ihm Backwaren retten und verteilen wollten.

In einem früheren Leben war der Lebensmittel-Manager im Büro tätig und eigentlich froh, dass er nicht mehr um 5:15 Uhr aufstehen musste, um zur Arbeit zu fahren. Heute dagegen ist er bereits über 500 Mal freiwillig um 3:30 Uhr aufgestanden, um möglichst viele Backwaren zu retten, wie er auf seiner Homepage schreibt.

Die Möglichkeit, seinen Bürojob endgültig hinter sich zu lassen, ergab sich durch einen Zufall: Im Mai 2010 legte er auf einer Hochzeit in Bergisch Gladbach als DJ auf – und hatte sichtlich Spaß. Ein Gast, Sven Lützenkirchen, filmte den damals 55-Jährigen bei seiner Arbeit: Mit absoluter Hingabe verlieh er der Musik durch seinen Tanz hinter dem Mischpult Ausdruck und animierte die Gäste zum Mitmachen. Das mitreißende Video ging viral, und so wurde er als DJ der guten Laune bekannt. Fortan erhielt er so viele Buchungen, dass er dem Büroalltag „Adieu“ sagen konnte.
„Ich war bis dahin wie ein Tiger im Käfig, im Büro. Dann ging das Video viral, und plötzlich war ich in Sendungen vor 2, 3, 4.000 Leuten. Aber vor allen Dingen kam ich aus diesem Zeitkorsett raus. Das war 2011/12, als gerade auch die Lebensmittelbewegung namens ‚Foodsharing‘ gegründet wurde. Da war ich sofort von Anfang an dabei. Ich war immer umweltbewegt, wollte nachhaltig leben, Ressourcen schonen – aber hatte nie die Zeit dafür. Und dann hat sich alles traumhaft ergeben“, erklärt im Talk mit Frank Überall.

Traumhaft ist es für uns alle, denn mit seinem Engagement macht Christian diese Welt ein bisschen besser und ist somit ein wahrer Zero-Waste-Held.

 

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