Die Verpackungssteuer in Tübingen ist rechtmäßig – Ein Erfolg für Zero Waste und die Abfallvermeidung

Erdbeeren Verpackung

Der 24. Mai 2023 könnte schon fast als historischer Tag für die Abfallvermeidung gelten. Er bietet in jedem Fall Anlass zu der Hoffnung, dass Abfallvermeidung und der Weg zu Zero Waste durch die Politik und die Gesetzgebung weiter geebnet werden können. Grund für diesen Optimismus ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das an diesem 24. Mai in zweiter Instanz die Verpackungssteuer von Tübingen als rechtmäßig erklärt hat.

Die Verpackungssteuer gilt in der baden-württembergischen Universitätsstadt Tübingen seit dem 1. Januar 2022. Verkaufsstellen von Speisen und Getränken in Einwegverpackungen zum sofortigen Verzehr und zum Mitnehmen sowie Einwegbesteck, zahlen seitdem 50 Cent netto für jede Einwegverpackung und 20 Cent netto für Besteck und Trinkhalme. Dabei ist die Steuer materialunabhängig und geht damit über die oft verkürzte Problematisierung von Einwegplastik hinaus: Die Steuer ist in gleicher Höhe für Verpackungen aus erdölbasierten Kunststoffen, Papier oder neueren, sogenannten bio-basierten Kunststoffen zu entrichten. (Die Verpackungssteuersatzung ist im Wortlaut hier nachzulesen.) 

McDonalds klagte gegen Verpackungssteuer

Und wie landete die Verpackungssteuer vor dem Bundesverwaltungsgericht?  Die Betreiberin einer Tübinger McDonalds-Filiale reichte eine Normenkontrollklage gegen die Verpackungssteuersatzung ein. Im März 2022 wurde die Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verhandelt, welcher die Steuer tatsächlich für unwirksam erklärte und dies unter anderem mit der scheinbaren Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht begründete. Die Stadt entschied sich daraufhin, in Revision zu gehen. Die Steuerveranlagung wurde für die Dauer des Revisionsverfahrens zwar verschoben, jedoch unter Ankündigung einer rückwirkenden  Veranlagung, falls die Stadt im Revisionsverfahren gewinnen sollte. Das Verfahren zog sich bis Mai diesen Jahres.

Verpackungssteuer lenkt jetzt schon die Abfallströme

Kurz nach der Urteilsverkündung nahm Claudia Patzwahl aus der Fachabteilung Steuern der Universitätsstadt Tübingen Ende Mai am Plenum von Zero Waste Germany teil. Sie berichtete, dass die Verpackungssteuer bereits jetzt die gewünschte Lenkungswirkung erzielt. Und das, obwohl es noch unsicher war, ob die Verpackungssteuersatzung endgültig rechtswirksam bleibt. Besonders wichtig sei das gute Informationsangebot für die potenziell zahlungspflichtigen Betriebe gewesen, um den Widerständen der Gewerbetreibenden frühzeitig zu begegnen. Hierzu wurden flächendeckend Informationsbroschüren verteilt und alle betroffenen Betriebe einzeln angesprochen und aufgeklärt. 

Finanzielle Unterstützung für Mehrweg

Außerdem werden die Betriebe bei der Umstellung auf Mehrweg finanziell unterstützt: Sie können bei der Stadt Zuschüsse für die Einführung eines Mehrwegsystems sowie für eine betriebseigene Spülmaschine zur Reinigung der Mehrweggebinde beantragen. Diese werden zwar nicht direkt aus der Steuer refinanziert, da alle Steuergelder in den allgemeinen Haushalt fließen. Doch Patzwahl betont, dass die Stadt unter der Leitung des Oberbürgermeisters Boris Palmer ohnehin eine sehr engagierte Klima- und Umweltpolitik betreibt.

Der Umstieg vieler Betriebe auf Mehrwegsysteme ist laut Patzwahl der größte Erfolg der Verpackungssteuer. Auch wenn noch keine Daten zur Abfallreduktion oder konkrete Nutzungszahlen der Mehrwegsysteme vorliegen, würden Mehrwegsysteme deutlich öfter von Betrieben angefragt und eingeführt. Sie seien im Stadtbild schon viel sichtbarer und die Vermüllung im öffentlichen Raum wahrnehmbar weniger geworden. 

Klare Position der Richterschaft des Bundesverwaltungsgerichts 

Auf die Lenkungswirkung der Verpackungssteuer bezog sich schließlich auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. Mai 2023. Patzwahl zeigte sich erfreut über die klare Position des Leipziger Gerichts in Bezug auf die Abfallvermeidung. In der offiziellen Pressemitteilung heißt es, die Verpackungssteuer bezweckt die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolgt damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber. Die Abfallvermeidung steht in der Abfallhierarchie an oberster Stelle, wie sich aus der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Einwegkunststoffrichtlinie, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz ergibt; erst danach folgen Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls”. 

Damit argumentiert die Jurisdiktion ganz im Sinne des Zero Waste Gedankens. 

Darüberhinaus urteilte das Bundesverwaltungsgericht ganz klar entgegen eines Urteils aus dem Jahr 1998 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Damals kippte das BVerfG die Verpackungssteuer in Kassel aufgrund von Verstößen gegen das abfallrechtliche „Kooperationsprinzip“ (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1991/95 u.a. – BVerfGE 98, 106 <117 ff.>). Dies sei der heutigen Rechtslage nicht mehr zu entnehmen.

Weitere Städte stehen in den Startlöchern für eine Verpackungssteuer

Dass Tübingen mit der Verpackungssteuer nur den Grundstein für weitere Städte gelegt hat, zeigte sich bereits kurz nach der Urteilsverkündung. Claudia Patzwahl berichtet von einem großen Interesse und Anfragen aus anderen Städten und Gemeinden, die bereits in den Startlöchern gestanden und das Urteil abgewartet hätten. Das Beispiel Tübingen hat bereits gezeigt, dass eine Verpackungssteuer ein einflussreiches, rechtliches Instrument für die Abfallvermeidung ist. Es bleibt zu sehen, wie viele Städte nun nachziehen werden und wie stark die Verpackungssteuer auch zu einer messbaren Reduktion der Abfallmenge beiträgt.