Anfang Februar wurde die Stadt Kiel von den Auditor*innen von Zero Waste Europe und Zero Waste Germany als zertifizierte Zero Waste-City ausgezeichnet.
Im Herbst 2018 beschloss Kiel, erste Zero Waste-City in Deutschland zu werden und entwickelte unter der wissenschaftlichen Begleitung des Wuppertal Institutes und des Büros für Umweltwissenschaften gemeinsam mit dem Verein Zero Waste Kiel e.V. und mehr als 450 Kielerinnen und Kielern ein innovatives Zero Waste-Konzept: Das Konzept wurde im Sommer 2020 fertiggestellt und im November 2020 von der Ratsversammlung einstimmig beschlossen. Dieses Konzept ist ein Aktionsplan mit 107 Maßnahmen, die u. a. die Umstellung des Abfallwirtschaftssystems und die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger beinhalten.
Mit dem Konzept als Fahrplan zur Zero Waste-City hatte sich die Landeshauptstadt das Ziel gesetzt, das Abfallaufkommen deutlich zu verringern, Ressourcen zu schonen und Klimaschutz durch geringere CO2-Emissionen zu betreiben. Die Stadt Kiel hat somit nicht nur eine Vorreiterrolle für die Zero Waste-Cities Bewegung in Deutschland gespielt, sondern auch als Pilot für das Zertifizierungssystem für Zero Waste Städte, das von der Mission Zero Academy (MiZA) unter der Schirmherrschaft von Zero Waste Europe (ZWE) entwickelt wurde, und wurde 2021 zur ersten „Kandidatenstadt für Zero Waste“. Nach Kiel haben sich drei weitere deutsche Städte, München, Leipzig und der Kreis Höxter, einer Zero Waste-Vision verschrieben und bereits den Kandidatenstatus erhalten. Auch andere Städte machen sich auf den Weg.
Die Zertifizierung als Zero Waste City
Um die nächste Stufe des Zertifizierungsprozesses, die „Certified City“, zu erreichen, muss jede „candidate city“ eine Reihe von Pflichtkriterien erfüllen, kann zusätzlich durch freiwillige Kriterien punkten und muss von einem*r MiZA-akkreditierten Auditor*in beurteilt werden. Das Bewertungssystem besteht aus einer Fünf-Sterne-Skala und bei jeder Re-Zertifizierung im Dreijahresrhythmus hat eine Stadt die Möglichkeit, weitere Sterne zu erwerben, sofern sie weitere Fortschritte bei der Abfallreduzierung nachweisen kann. Eine Stadt kann auch Sterne verlieren.
Das Audit für die Stadt Kiel zur Erlangung des Titels „Zero Waste-City“ fand vom 6. bis 8. Februar statt. Auditor Jaka Kranjc von Ekologi Brez Meja (Slowenien), Jack Mc Quibban von Zero Waste Europe (ZWE) sowie zwei Vertreter von Zero Waste Germany e.V. wurden nach Kiel eingeladen und trafen sich mit dem Zero Waste-Team des Umweltschutz Amtes, dem städtischen Abfallwirtschaftsbetrieb ABK sowie dem lokalen Team von Zero Waste Kiel e.V., das als Mentor der Stadt Kiel die Arbeit der Auditoren unterstützte und bei der Klärung der von der Stadt eingereichten Nachweise zu Rate gezogen wurde.
Kiel Zero Waste City
Es ist das erklärte Ziel der Stadt, die Gesamtabfallmenge pro Einwohner und Jahr bis 2035 um durchschnittlich 15% zu reduzieren und den Restmüll bis 2035 zu halbieren. Die Bewertung der Zwischenergebnisse – noch kein Rückgang und sogar ein leichter Anstieg des produzierten Abfallaufkommens – , die Reihe der eingeleiteten Maßnahmen und Projekte sowie die zukünftigen Maßnahmen für eine konkrete Reduktion wurden in der Bewertung für die Akkreditierung abgewogen.
Zu den den Top-Maßnahmen Maßnahmen der Stadt Kiel gehören unter anderem:
Die Einrichtung eines Projektteams im Umweltschutzamt, das Verbot der einmaligen Verwendung von Geschirrs bei Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen als Teil der Abfallsatzung der Stadt, die Vernetzung mit anderen Städten zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen, finanzielle Anreize für die Verwendung von wiederverwendbaren Windeln und die Förderung von Initiativen wie den Essensrettern „Resteritter“ und dem Zero Waste Teller des Studentenwerks Schleswig-Holstein…
Kiel und die Zero Waste-Bewegung
Diese Zertifizierung ist der erste Schritt auf dem Weg in eine kreislauforientierte Zukunft, die von Zero Waste Europe, Zero Waste Germany e.V. und dem lokalen Zero Waste Kiel e.V. gefördert wird. Weitere Anstrengungen müssen nun folgen, um das Ziel einer lokalen Kreislaufwirtschaft, in der die Vermeidung im Vordergrund steht, sowie ein Abfallmanagementsystem, das Restmüll konkret minimiert, schnell zu erreichen.
„Ich freue mich sehr, dass Kiel diesen Weg gegangen ist und durch das erste Audit mit der Zertifizierung ausgezeichnet werden konnte„, sagte Marie Delaperriere, Vorstandsmitglied des lokalen Vereins Zero Waste Kiel e.V. “Als Aktivist*innen erwarten wir, dass diese Zertifizierung die Stadt dazu ermutigt, schnell messbare Ergebnisse zu zeigen.„
In ihrer Pressemitteilung weist die Landeshauptstadt Kiel darauf hin, dass die Zertifizierung eine Motivationsquelle sei, die die Umsetzung weiterer Maßnahmen vorantreiben und die Kreislaufwirtschaft fördern soll. Der Aktionsplan umfasst Maßnahmen, die schwieriger umzusetzen sind als die bisher erfolgreich durchgeführten Aktionen, sowohl in technischer, politischer als auch sozialer Hinsicht. Beispiele hierfür sind die Prüfung der Einführung einer Wertstofftonne oder die Einführung eines PAYT-Systems. Auch andere deutsche oder europäische Städte gehen mit gutem Beispiel voran und zeigen, dass in Europa eine Dynamik Richtung “Zero Waste” im Gange ist: Die Stadt Tübingen beispielsweise hat bis 2022 eine kommunale Verpackungssteuer eingeführt und Paris, ein Netz von Wasserbrunnen im öffentlichen Raum in Paris.
Das nächste Audit für die Landeshauptstadt Kiel steht im Jahr 2026 an. Bis dahin hat die Stadt weitere Möglichkeiten, Maßnahmen zur Reduzierung des Abfallvolumens zu ergreifen und so eine Vorbildfunktion in Deutschland und – dank ihrem Zugang zur Ostsee – auch in den baltischen Staaten zu erfüllen!
Autoren: Sarah Jordan, Marc Delaperrière